Mehr als 95% aller weltweit produzierten Leiterplattendesigns werden als Gerberdaten vom Entwickler zum Fertiger übermittelt. Die meisten CAD-Systeme geben automatisch Gerberdaten aus. Nur selten müssen sich die Entwickler damit befassen, wie eine Gerberdatei ihre Daten repräsentiert. Dies ist ein gutes Zeichen in Bezug auf die die Leistungsfähigkeit und Verbreitung des Formats. Gelegentlich treten aber auch Probleme auf, für die ein wenig Hintergrundwissen hilfreich wäre. Zudem werden für das Format Entwicklungen geplant, für die Hintergrundwissen zukünftig um so nützlicher wäre.

Die Geschichte von Gerber:


Warum “Gerber”?

Joe Gerber (1924 – 1996) war ein US-amerikanischer Erfinder, der 1940 aus Österreich in die USA floh. Schon als Student war er am akkuraten Plotten von Daten interessiert. Während der 1950er Jahre entwickelte er den digitalen XY-Koordinaten-Tisch, der den Kern seines zukünftigen Geschäftes, Gerber Scientific, bildete. Das erste Produkt, das er unter Verwendung des neuen Tischs herausbrachte, war eine der ersten digitalen Zeichenmaschinen weltweit. Zu den späteren Produkten gehörte eine automatische Zuschnittmaschine für Stoffe, die in der Bekleidungsindustrie immer noch stark verbreitet ist. In den 80er Jahren entwickelte er computergestütztes Zubehör zur maschinellen Herstellung von Brillengläsern, welches ebenfalls noch heute eingesetzt wird.

Plotten und Blende

In den 1960er Jahren fand Joe Gerber eine weitere Verwendung für seinen XY-Tisch. Er führte den weltweit ersten numerisch gesteuerten Fotoplotter ein, um Fotowerkzeuge (Filme) zur Produktion von Leiterplatten zu erzeugen. Das funktionierte, indem zunächst ein optischer Kopf mit einer Lichtquelle zur korrekten Stelle über den Film auf dem Plottertisch bewegt wurde. Ein kreisrundes Rad mit unterschiedlichen geformten/großen Löchern darin (Blenden), wurde dann gedreht, bis sich die richtige Blende unter der Lichtquelle befand. Für ein Pad wurde die Lichtquelle kurz ein und ausgeschaltet (geblitzt) und dieses damit auf den Film belichtet. Eine Leiterbahn wurde erzeugt, indem die Lichtquelle eingeschaltet war, während der Kopf sich bewegte und damit die Bahn auf den Film „gezeichnet“ wurde. Aus diesem Grund sprechen wir noch heute von „Blendentellern“ (aperture tables) und seltener von flashes („geblitzt“) und draws („gezeichnet“). Die Plotter waren als Vektorplotter bekannt, weil der Kopf dem jeweiligen Muster der Leiterplatte folgte. Das passende Datenformat basierte auf einem bestehenden Format RS-274-D, das von der US Electronic Association (EIA) entwickelt wurde, um damit jegliche NC-Maschine zu steuern. Die ersten dieser Gerber Fotoplotter luden die Daten über Lochkarten.

RS-274-D wird zu RS 274X

In den frühen 1980er Jahren wurden die wurden CAD(Computer-aided Design)-Systeme für Leiterplatten populärer und ersetzten die alten handgeklebten 2:1 Reprovorlagen. CAD-Systeme konnten die Plottdaten direkt an den Plotter ausgeben, um die Fotowerkzeuge (Filme) zu erstellen. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten Fotoplotter Gerberplotter. Andere Anbieter drängten in den Fotoplottermarkt. Weil aber Gerber 1980 die vollständige Spezifikation zu ihrem Format veröffentlicht hatte, wurde Gerber RS-274-D der de facto Standard.

Als Behelf beim Transfer der Leiterplattenbilder, hatte das Format eine kritische Einschränkung: die Größe, Form und Anzahl der Blenden war durch das physische Blendenrad beschränkt. Für Designs mit konventionellen THT(Durchsteck)-Bauteilen mit runden oder quadratischen Pads funktionierte dies (mehr oder weniger) gut, aber das Format konnte nicht mit den neuen SMD(oberflächenmontierten)-Bauteilen umgehen, die eine große Auswahl hauptsächlich rechteckiger Pad-Größen nutzte.

Mit RS-274-D war die einzige Möglichkeit die Pads mit winzigen „draws“ zu „zeichnen“. Ähnlich konnte eine einfache Massefläche umgekehrt geplottet werden, soll heißen, die Freistellungslöcher in der Fläche werden schwarz geplotted und der Leiterplattenhersteller dreht die Polarität entweder in seinem CAM-System um oder indem er einen physischen Kontaktabdruck macht. Das funktionierte allerdings nicht für gemischte Masseflächen oder Masseflächen auf Signallagen. Diese mussten alle mit „draws“ gezeichnet werden. Ein großes Bild mit SMDs und Masseflächen konnte bei einem solchen Plotter bis zu 24 Stunden für den Plot beanspruchen.

Die Lösung war ein neuer Typus von Fotoplotter und ein neues Datenformat. Der Rasterfotoplotter verwendete eine Lichtquelle, typischerweise einen Laser, um den Film in einem kontinuierlichen Muster zu rastern. Das Bild wurde dabei in einer Sequenz von „Laser ein“- und „Laser aus“-Befehlen aufgebaut. Jetzt konnte jedwede Form aus Rasterpixeln aufgebaut und geplottet werden. Heute ist dies ein Standard Industriewerkzeug, um Leiterplattenfilme herzustellen. Die Laserplotter nutzen bis zu 48 unabhängig geschaltete, gleichzeitige Strahlen und plotten mit einer Auflösung bis zu 50.000 DPI oder mehr.

Jetzt war es möglich das Gerberformat flexibler zu gestalten und an die Bedürfnisse der Leiterplattenentwickler anzupassen. RS-274X oder Extended Gerber wurde 1991 herausgebracht. Es erlaubte dem Nutzer jegliche Form als Pad, Leiterbahn oder Polygon (Massefläche) zu definieren. Die Blendendefinitionen hingen nicht länger vom physischen Blendenrad ab, so dass sie automatisch aus dem CAD-Job abgeleitet werden konnten und als Teil der Datenausgabe ausgegeben werden konnten.

Gerber Heute

RS-274X ist heute das Standard Übertragungsformat für Leiterplattendaten. Es ist klar, eindeutig und – falls irgendwelche Fragen aufkommen, durch den Menschen/Bediener ohne Hilfsmittel lesbar. Jede Datei ist vollständig und erlaubt ihnen jede Pad-Form oder Kupferfläche zu zeichnen, die ie wollen.

Das alte Standard Gerber RS-274-D besteht trotz seiner Nachteile fort. Es ist sehr eingeschränkt, benötigt einen separaten Blendenteller, welcher scheinbar oft verloren geht; es produziert große, unhandliche Dateien. Die Ausgabe kann das Verschmelzen positiver und negativer Bilder erfordern, welche im besten Fall umfangreiche Aufräumarbeiten erfordern und im schlechtesten Fall schwer zu findende Fehler bedeuten.

Eurocircuits akzeptiert das alte Format weiterhin, soweit benötigt (z.B. für alte Jobs), obwohl es nicht mit PCB Visualizer® funktioniert. Wie auch immer, Extended Gerber, RS-274X ist unser bevorzugtes Datenformat und hat keine der Einschränkungen von RS-274-D. Jede Datei ist vollständig mit eingebetteten Blendendefinitionen. Es funktioniert mit dem PCB Visualizer® und bietet dabei sämtlich Vorteile unserer fortschrittlichen Datenanalysetechnologie. Alle aktuellen und die meisten älteren CAD-Systeme sind in der Lage RS-274X auszugeben. Falls ihr CAD System immer noch das alte RS-274-D Format ausgibt, sehen sie bitte in die Ausgabeeinstellungen. Manchmal kann die Ausgabe auf RS-274X umgestellt werden. Auf verschiedenen Systemen können unterschiedliche Terminologien verwendet werden. Fragen sie im Zweifel einfach bei uns nach.

In unseren PCB Design Guidelines finden Sie weitere Ratschläge zu Eingabeformaten.

Gerber in der Zukunft

Extended Gerber, RS-274X, bietet ein exaktes und eindeutiges Bild der Lagen einer Leiterplatte. Dennoch fehlen noch notwendige Lageninformationen für die Produktion (insbesondere für die automatische Datenaufbereitung), die nicht im Format vorgesehen sind.

Folgende Beispiele:

  • Welche Funktion hat die Lage: Top Kupfer, Top Lötstopmaske, etc.?
  • Zeigt das Bild eine einfache Leiterplatte, oder einen Nutzen?
  • Welche Funktion besitzt dieses Objekt: ist es ein SMD Pad oder Via Pad, Fiducial etc.?
  • Was ist die Kontur/Profil? Automatische Erkennungs-Software wie PCB Visualizer® kann rechteckige Konturen erkennen, aber keine komplexen Formen.
  • Welche Bohrtoleranzen hat dieses Loch? Beispielsweise könnte es ein Loch für Einpresstechnik sein.
  • Welche Leiterbahnen sind impedanzkontrolliert?
  • Welche Vias müssen gefüllt werden?

Der nächste Schritt ist die Einbeziehung dieser Informationen in das Datenübermittlungsformat. Jedwede Erweiterung des Datenformats muss mit dem existierenden Format und den bestehenden CAD-Systemen kompatibel sein. Obwohl andere Formate vorgeschlagen wurden, die Nicht-Bildinformationen einschließsen können, ist Gerber so weit verbreitet und effektiv im Einsatz, dass es – ebenso wie QWERTY, QWERTZ and AZERTY Tastaturen – nicht leicht zu ersetzen ist.

Heute wird das Gerberformat von der belgischen Firma UCAMCO, die diese Abteilung von Gerber Scientific 1997 gekauft hat, gewartet und entwickelt. UCAMCO hat eine Vorlage für die nächste Generation von RS-274X, Gerber RS-274X2 veröffentlicht. Diese führt Eigenschaften in das Format ein, welche die oben genannten Informationen übermitteln.

Diese neue Entwicklung wird in unserem technischen Blog zu Gerber X2 und Gerber X3 näher beschrieben. Eurocircuits arbeitet eng mit UCAMCO am neuen Format zusammen und unterstützt UCAMCOs Antrieb bessere Werkzeuge für die europäische und globale Gemeinschaft der Leiterplattenentwickler zu bieten. Da die neuen Attribute in die CAD-Systeme implementiert werden, werden wir neue Funktionen zu unserer Dateneingabe hinzufügen sowie Prozeduren zur Überprüfung, um mit diesen umzugehen. Selbstverständlich werden wir auch weiterhin die älteren Gerberformate akzeptieren.